Institut für Angewandte PhysikNichtlineare Systeme und Strukturbildung (NSPF) - Magnetismus - Materialwissenschaften - Angewandte Physik |
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Reaktions-DiffusionssystemeWeitere Details bezüglich der Behandlung von Reaktions-Diffusionssysten Bei der Beschreibung der Natur fällt auf, dass viele zeitliche und räumliche Strukturen nicht von außen aufgeprägt sind, sondern vielmehr von den jeweiligen Systemen selbst erzeugt werden. Das Studium dieser Selbststrukturierungsprozesse ist Inhalt der Arbeiten der Forschungsgruppe "Strukturbildung in dissipativen Systemen". Bei der Untersuchung solcher Phänomene stellt man fest, dass sich etliche Systeme gut durch die Klasse der Reaktions-Diffusions-Gleichungen beschreiben lassen. Dabei handelt es sich um Gleichungen des folgenden Typs: Diese Gleichungen beschreiben die zeitliche Entwicklung zweier Verteilungen u(x,t) und v(x,t). Die Dynamik wird hier bestimmt durch einen lokal wirkenden Reaktionsterm und durch eine räumliche Kopplung über den Diffusionsterm. Das komplexe Verhalten einer großen Klasse von biologischen, chemischen, physikalischen und anderen sich selbst organisierenden Systemen läßt sich so gut beschreiben. Als Beispiele mögen hier die Pulsausbreitung auf einer Hühnerretina, die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion oder Gleichspannungsgasentladungssysteme gelten. Wichtige Aspekte dieser Systeme sind mögliche Bistabilitäten schon im Falle stationärer homogener Strukturen, räumliche, zeitliche und raumzeitliche inhomogene Strukturen einschließlich chaotischen Verhaltens. Im Fall stationärer Strukturen kommt der zweiten Komponente v, dem sogenannten Inhibitor, eine stabilisierende Wirkung zu. Diese kommt besonders dann zur Geltung, wenn er schnell ist und nicht durch Diffusion zu weit verteilt wird. Eine Verlangsamung der Komponente v führt typischer Weise zu zeitlicher Strukturbildung (z.B. Pulse, laufende Wellen), eine erhöhte Diffusion zu räumlichen Mustern (z.B. periodische Turing-Strukturen, lokalisierte Filamente). Eine gleichzeitige Verletzung beider Bedingungen ermöglicht noch weit komplexere Strukturen (z.B. atmende Filamente, oszillierende Bereiche eingebettet in eine Umgebung aus stationären periodischen Mustern, raumzeitliches Chaos). Außerdem existieren Strukturelemente mit den Eigenschaften von gut lokalisierten Teilchen wohldefinierter Größe, die miteinander und mit dem Rand wechselwirken sowie vernichtet und erzeugt werden können. Die folgende Abbildung stellt beispielhaft einige Strukturen in einem solchen zweikomponentigen System dar. Selbstorganisierte räumliche Strukturen als Lösung einer Aktivator-Inhibitor-Reaktions-Diffusions-Gleichung Die numerische und analytische Behandlung der genannten Aktivator-Inhibitor-Reaktions-Diffusions-Systeme geschieht in der Absicht, grundlegende Mechanismen der Strukturbildung in der Natur zu erforschen und prinzipielle Phänomene theoretisch vorauszusagen. Darüber hinaus werden sie verwendet, um Experimente an Plasma-Systemen und Halbleitern zu interpretieren (siehe Arbeitsgebiete "DC-Gasentladung" und "AC-Gasentladung". QuasiteilchenDie aktuellen Arbeiten beschäftigen sich mit dem Auftreten lokalisierter bewegter Strukturen, sogenannter Quasiteilchen, in unterschiedlichen Gasentladungssystemen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein zweikomponentiges Modell, wie das oben beschriebene, solche Strukturen nicht, oder nur in sehr speziellen Parameterbereichen zeigt. Zur Zeit wird daher das folgende dreikomponentige Reaktions-Diffusions-Modell untersucht: Mit diesem Modell ist es möglich, teilchenartige Lösungen zu erklären. Der zugrundeliegende Mechanismus greift dabei in ein-, zwei- und dreidimensionalen Systemen. Die folgenden Bilder zeigen Quasiteilchen in zwei- und dreidimensionalen Systemen. Das Applet "Cellular" (optimiert für Netscape Navigator) ist die Implementierung eines zellularen Automaten, der mit einfachen Regeln die gleichen Mechanismen realisiert, wie die oben angegebenen dreikomponentigen Differentialgleichungen und ebenfalls bewegte lokalisierte Lösungen zeigen kann.
Quasiteilchen in einem dreikomponentigen Reaktions-Diffusions-System. Die Bewegungsrichtung ergibt sich aus einer Verschiebung der Komponente v gegen die Komponente u. Die Strukturen existieren auf zwei- und dreidimensionalen Grundgebieten. Stoßende QuasiteilchenZur Untersuchung der Wechselwirkung dissipativer Quasiteilchen wird das dreikomponentige Reations-Diffusions-System auf dreidimensionalen Grundgebieten und in der Zeit gelöst. Hierfür verwenden wir einen finiten Differenzen Algorithmus, der auf der Cray T3E des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart gerechnet wird. Dabei lassen sich in Abhängigkeit von den Systemparametern Streuung, Vernichtung und Erzeugung (Bild rechts) von Quasiteilchen beobachten. Desweiteren werden komplexe Strukturen beobachtet, die durch Symmetriebrechung wiederum in Quasiteilchen zerfallen. Für spezielle Systemparameter fallen die Flanken der Quasiteilchen nicht exponentiell gegen den homogenen Grundzustand ab, sondern weisen sogenannte oszillierende Ausläufer auf, die die Bildung von Quasiteilchen-Molekülen ermöglichen. Sind diese oszillierenden Ausläufer allerdings zu stark ausgeprägt, so bilden sich aus den Überlagerungen der oszillierenden Ausläufer zweier Quasiteilchen weitere Quasiteilchen aus. Die oszillierenden Ausläufer der neu entstandenen Quasiteilchen überlagern sich wiederum mit ihren Nachbarteilchen und eine kettenreaktionsartige Generation neuer Quasiteilchen setzt ein. Die reduzierte DynamikTheoretische Untersuchungen im Parameterbereich Dw® 0 und q® 0 lassen eine analytische Vorhersage des Übergangs von stationären zu bewegten Strukturen zu. Der Mechanismus beruht auf einer Verlangsamung des Inhibitors v. Diese Komponente reagiert nicht mehr schnell genug auf eine Verlagerung der Komponente u und die so entstandene Verschiebung bewirkt eine Propagation oder auch eine Rotation, wenn es sich um eine rotationsinvariante Strukturen wie zum Beispiel Quasiteilchen-Moleküle handelt. Darüber hinaus ist es möglich, die Wechselwirkung, also Stöße, zwischen verschiedenen Quasiteilchen zu berechnen und mit den Simulationen zu vergleichen. Auch Inhomogenitäten können in das Modell mit aufgenommen und ihr Einfluss auf die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit vorhergesagt werden. Nicht berücksichtigt wird bei solchen Simulationen die Möglichkeit von Teilchenvernichtung oder Entstehung. Man gelangt zu einfachen Bewegungsgleichungen, die mit sehr geringem numerischen Aufwand simuliert werden können. Das Applet "Interact" (optimiert für Netscape Navigator) basiert auf diesen Bewegungsgleichungen und ermöglicht eine interaktive Untersuchung der verschiedenen Möglichkeiten. Literaturverzeichnis
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